... von Wolfgang Engel
Anekdote aus der Frühzeit des Fernmeldesektor C
Der schnarchende Tonträger
Die Meinungen über das Schnarchen gehen weit auseinander und verursachen oft sehr unterschiedliche Reaktionen. Während Einige schmunzeln, treibt es Anderen die Zornesröte ins Gesicht und die dazugehörige Falte auf der Stirn. Schnarchen war auch auf dem Stöberhai immer wieder ein Ärgernis und führte zu erregten Diskussionen. Während der sehr langen Nachtschichten konnte ein Teil der Einsatzwachen im Wechsel ruhen und sich für die aktive Zeit am Arbeitsplatz erholen. Dies führte bei einem Kameraden über kurz oder lang zu den genannten akustischen Entgleisungen.
Der Turm war noch gar nicht bezogen und in der so genannten “alten Stellung“ auf dem Stöberhai gab es zu jener Zeit Leichtbau-Baracken, ca. 15 Meter lang und 6 Meter breit. Die Fenster waren dauerhaft verschlossen, die Einsatzkräfte saßen im Abstand von etwa 3 Metern Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz entfernt. Es roch nach geöltem Fußboden, Zigarettenrauch und Heizöl. Weil der Geräuschpegel hoch war, musste unter Kopfhörern gearbeitet werden. Während der Nachtstunden war es etwas leiser. Ein Hauptfeldwebel Adolf Hubensack – er war Wachleiter hatte die Eigenschaft jeden seiner Untergebenen mit “Scheuerbeutel“ anzusprechen, dieser zeichnete sich weiterhin dadurch aus, dass er mit seinen Gaumensegeln gewaltige Schnarchgeräusche produzieren konnte, die auf der Dezibel-Skala mit dem Sound einer elektrischen Schlagbohrmaschine gleichzusetzen waren. Die dünnen Wände der Baracken jedenfalls waren für diese Töne kein Hindernis, die unangenehmen niederfrequenten Schwingungen waren für die zarten Ohren der Erfasser ein Problem, das eine Lösung verlangte. Diskussionen über dieses Thema mit Adolf Hubensack wurden durch ihn stets jäh beendet und abgeleugnet. Also musste ein Beweis her. Es war in der Nacht, der junge Morgen hatte gerade erst begonnen ca. um 01:00 Uhr, es war ein ruhiger Dienst und nur Routine zu erledigen. Adolf Hubensack hatte seine Freiwache und wollte sich rechtschaffen müde in seinem Ruheraum etwas hinlegen. Eine günstige Gelegenheit unsere Beweisaufnahme zu vollenden und ein vorbereitetes Tonbandgerät samt Mikrofon lauschte in die ergreifende Stille des Ruheraumes von Adolf Hubensack. Nicht mehr lange, wie erwartet und bald füllten rhythmische, akustische Schnarchsequenzen den Raum und das Magnetband zeichnete unbestechlich diese NF-Signale aus dem Hals von Adolf Hubensack auf. Eine halbe Stunde nur…reicht aus und die Aufzeichnung wurde beendet, voller Erwartung auf das Wecken um 06:00 Uhr am Morgen. Aufzeichnungsmittel waren wieder im Dienstraum am gewohnten Platz und Adolf Hubensack kam etwas verschlafen aus seinem Ruheraum und ließ sein herzerfrischendes “Moin, Moin“ erschallen. Mit der obligatorischen Frage: „Alles ruhig?“ ging er in den Waschraum um die Morgentoilette zu besorgen. Er kam zurück in den Dienstraum. Das Aufzeichnungsgerät lief. Es war ungewöhnlich leise und ein jeder trug seinen Kopfhörer.
Plötzlich gab das Tonbandgerät die aufgezeichneten Töne wieder. Adolf Hubensack macht drei, vier Schritte in den Raum und erstarrte fast zur Salzsäule Scheinbar eine Ewigkeit stand er da, die Zornesader schwoll an, in freiem Oberkörper mit Handtuch und Waschbeutel deutete er auf das Aufzeichnungsgerät, aus dem das akustische Inferno dröhnte. Seine Reaktion eskalierte in einem Brüllen und ließ uns erschauern. Keiner der Erfasser erklärte ihm das Zustandekommen dieser Aufzeichnung. Die Wachablösung erfolgte einige Stunden später und auf der Rückfahrt zur Unterkunft war die Stimmung gleich einer Beerdigung.
Adolf Hubensack brauchte lange um das Ereignis zu verdauen. Aber er trug es uns nicht nach. Ich wurde später Adolf Hubensack´s Nachfolger als Wachleiter.
Ob ich geschnarcht habe? Ich weiß es nicht.
Wolfgang Engel war in der 11. Etage als Beobachtungsfunker.