Radargeräte mit Charakter

Radargeräte mit Charakter

RadarEs wurde schon einmal erwähnt, der Turm auf dem Stöberhai war wie ein U-Boot, alle saßen darin und keiner konnte nach draußen schauen. Wenn man früher über den Stöberhai und seinen Turm sprach, wurde es immer sehr geheimnisvoll. Da gab es Leute, die behaupteten, wenn man den Turm fotografiert, ist er auf dem entwickelten Bild nicht zu sehen. Quasi wie ein Vampir, der sein eigenes Spiegelbild nicht sieht, aber den gibt es ja auch nicht.

Oder der Turm ist nur eine Attrappe, darin verbirgt sich ein Flugkörper, der im Falle eines dritten Weltkriegs abgefeuert werden würde.

Nur das da Menschen drinnen saßen und ihre Arbeit verrichteten, sagte keiner.

Vielleicht hängt es ja auch damit zusammen, dass früher die meisten Leute nicht die innerdeutsche Grenze überschreiten konnten und sich ausmalten, wie es denn dahinter aussehen würde. So ging es uns aber auch und man hatte von jeder Signalquelle sein eigenes Bild vor dem geistigen Auge, natürlich sah es immer ganz anders aus.

Auch glauben viele im Turm wurde nur gelauscht, also Gespräche mitgehört, was dem Turm seine unrühmlichen Bezeichnungen wie Horchposten oder Spionageturm einbrachte.

Die Wahrheit ist, dass die elektronische Aufklärung überwog, was bedeutet, dass technische Signale aus Impulsen mit bestimmten, sogenannten Modulationen analysiert werden mussten und daraus ein Erfassungsergebnis resultierte.

Eine funktechnische Einheit zur Überwachung oder eine militärische Stellung mit Flugabwehrraketen zur Abwehr gegnerischer Flugzeuge bestand aus einer Vielzahl von verschiedenen Radargeräten, die anhand der Parameter, also ihren technischen Daten zugeordnet werden mussten.

Der Erfasser musste also eine Fülle von Frequenzen mit weiteren Parametern kennen, um ein solches Radargerät  zuzuordnen und eine Standortfeststellung machen, notfalls wurde ein solches Gerät mit einem benachbarten Turm gepeilt und der Schnittpunkt der Peillinien ergab dann auf der Karte den Standort des Gerätes.

Sehr erfahrene Erfasser konnten schon Radarsignale an ihrem akustischen Ton aus dem Kopfhörer erkennen.

Jeder Arbeitsplatz im 11. Obergeschoss hatte eine bestimmten Aufgabenbereich, d.h. es wurden Radargeräte erfasst, die bestimmte „Charaktereigenschaften“ hatten. Da gab es welche, die ganz weit in den Luftraum spähten, um in möglichst großen Entfernungen Luftfahrzeuge zu orten, dann gab es wieder welche, die eigene Flugzeuge begleiteten, um ihnen wie ein Lotse ein Ziel zu zeigen, dass diese (simuliert) bekämpfen sollten. Dann gab es wieder welche, die bedrohlich wirkten, weil sie auf eine aktivierte Stellung mit Flugabwehrraketen hinwiesen, die ein Luftfahrzeug eventuell abschießen konnten.

Es gab auch welche an Bord von Flugzeugen, die unterschiedliche Aufgaben hatten. Einmal waren da Geräte, die Luftfahrzeuge zum Navigieren brauchten, so wie heute das Navi im Kraftfahrzeug. Diese sagten uns wieder mit welchem Flugplatz das Flugzeug arbeitete und sie verrieten uns was für ein Flugzeug das war und in welcher Höhe es flog.

Jedes Gerät mit seinem akustischen Ton, der durch eine Kette von aneinandergereihten Impulsen erzeugt wurde, erzählte etwas über seinen Zweck, aber nur der erfahrene Erfasser konnte aus diesem Ton oder besser vielen Tönen dieser Radargeräte eine militärische Lage erkennen und weitergeben. Wenn morgens oder am Nachmittag das sogenannte diensthabende System erprobt wurde, waren auf einen Schlag sehr viele verschiedene Radargeräte aktiviert, die der Erfasser in sehr kurzer Zeit erkennen musste, einschließlich Standortfeststellung und Meldung der erfassten Parameter.

Das war dann immer eine stressige Phase, die aber routinemäßig jeden Tag erfolgte und keine Panik erzeugte.

So war es also möglich aus einer Vielzahl von Tönen und natürlich der exakt analysierten Impulsstrukturen ein Bild einer militärischen Lage zu erkennen und zu beurteilen, die mit den erfassten Bereichen anderer Sektoren, die der Stöberhai nicht mehr erfassen konnte, zu verknüpfen, um ein Gesamtbild der jeweiligen Lage darzustellen.

Es gab auch Radargeräte, die gemessen an ihrer Impulsstruktur genau zu erkennen waren, ähnlich wie ein Fingerabdruck, der in einer Kartei gespeichert worden ist.

Das bedeutete, wenn dieses Radargerät seine Standort wechselte, konnte man es wiedererkennen und auch nur aufgrund von Impulsen diesen „Umzug“ in einer Lagebeurteilung aufzeigen.

Auch waren Radargeräte an Bord von Flugzeugen nützliche Peilsender, denn durch die veränderliche Peilung konnte der Flugkurs exakt bestimmt werden.

Dieses Szenario von ausgesendeten Impulsen war also eine militärische „Großwetterlage“, die Auskunft darüber gab, was der Gegner gerade machte.

Bei großen Übungen war schon Tage vorher eine große Anzahl von Sendequellen im Richtfunkbereich und „aggressiven“ Radargeräten in anderen Übungsgebieten festzustellen, die wie beschrieben, geortet und analysiert wurden und so ein Indiz für militärische Aktivitäten in den jeweiligen Übungsräumen waren.

Auch bei solchen Ereignissen konnten wir erkennen, was der Gegner vor hatte. Ein Überraschungsangriff, wie früher manchmal vermutet, wäre nicht möglich gewesen, weil eben durch diese elektronischen „Berichterstatter“ eine Abschätzung der militärischen Lage möglich war.