Beginn und Gründung 1957

Martin Ehnert

Erinnerungen an die Fernmelde-Abteilung 711

Ich war einer der ersten 22 jungen Flieger, die Ende März 1957 zur Fernmelde-Abteilung 711 versetzt wurden. Empfangen wurden wir im Hauswöhrmannsweg in Osnabrück. Die Unterbringung erfolgte in einer Baracke, die man heute noch nicht einmal Flüchtlingen anbieten würde, ohne Heizung und unisoliert, 2 Mann teilten sich einen Spind. Der Spieß, ein Oberfeldwebel Just, meldete uns dem Oberstleutnant Oelgeschläger, der zunächst feststellte, von uns 22 hätte alle andere Laufbahnen angestrebt, aber er würde aus uns allen Funker machen. 

So landeten wir schließlich in Bückeburg in der Musikschule bei Hauptmann Neumann und bekamen Kopfhörer und Tasten um morsen geben und hören zu üben. Anfang Mai bekam ich die Kommandierung zur 1.Fm Abteilung 711. Für mich ein Paradies, die Unterbringung in der ehemaligen Musikschule in Einzelzimmern. Noch nie im Leben hatte ich ein eigenes Zimmer. Ein Zimmer in dem ich meine eigenen Bilder an die Wand nageln konnte. Es war nicht nur ein wunderschönes kleines Städtchen und auch der Dienstbetrieb verlief ohne Schikanen. H – Funker sollte ich nun werden. Ein pharm. Kaufmann ohne jedes technisches Verständnis und ohne handwerkliches Geschick. Nur unter Anfängern wurden wir ein neuer Hörsaal, andere Gruppen hatten schon einen erheblichen Vorsprung. Da saßen wir nun mit Kopfhörern und primitiven Gebertasten. Es ging um „di da di did“ dem Morsealphabet hier dem Buchstaben L im Klang „ ich liebe dich“.

Ich meldete mich, weil ich mir den Dienstbetrieb eines H-Funkers und seine Aufgaben nicht vorstellen konnte. Ich bekam erklärt, dass man den Funkbetrieb des Ostens abhören wolle und man uns als Nachwuchs dringend bräuchte. Gesendet würde jeweils in verschlüsselten 5er Gruppen. Die Fernmelde-Abteilung hatte die Aufgabe die Sender anzupeilen und die Funksprüche aufzunehmen.

Jeweils 3 H-Funker in einer Gruppe in 6 Stundenschichten nehmen einen Geber auf und gleichen das Aufgenommene ab. Danach geht alles in die Entschlüsselung. Und dann auf meine Frage was dann?  „nichts, alles bleibt „geheim“. Es tat mir leid, es war nicht mein Ding, bei aller Liebe zum Vaterland. So folgte ich dem Rat eines Veteranen und legte bei Tempo 80 die Kopfhörer auf den Tisch und sagte:  „Ich höre nichts mehr an Buchstaben heraus, weder L noch F.“ Ich bat darum mich in Küche, zum Postholen und in der Schreibstube nützlich machen zu dürfen. So wurde ich dem Versorgungsunteroffizier unterstellt.

Hier noch ein besonders lustiges Erlebnis. Ich hatte mir einen T-Netzstecker besorgt, um Radio und Tischlampe gleichzeitig nutzen zu können. Nun kam ein Kamerad und bat für eine Stunde um den Stecker, er wollte danach noch eine Kneipkur machen, denn Bückeburger sind ja anständige Menschen, sie gehen abends in die Falle und morgens in die Sonne. Beides waren natürlich Kneipen mit diesen Namen. Als ich nun von meinem Spaziergang zurückkam, fehlte mir der Stecker. Ich ging in das Zimmer des Kameraden, um mir meinen Stecker zu holen. Auf seinem Tisch lag ein Buch mit dem Titel: „Kaputt“. Dann kam mir die Idee sein Bett vom Rahmen zu nehmen und nur lose wieder auf die Haken zu setzen. Mein Kamerad hatte die Angewohnheit in letzter Minute ins Zimmer zu eilen, bevor der OVD eventuell seine Runde machte.

Der OVD, ein gutmütiger alter Oberfeldwebel, hatte sich aber zur Ruhe gelegt. Nach der Vorschrift für den Wachdienst durfte er nur Helm, Koppel mit Pistole ablegen und die Stiefel ausziehen. Ein Soldat schläft nicht, er ruht. Nach seiner späten Heimkehr sprang mein Kamerad wie immer mit Anlauf in sein Bett ohne sich auszuziehen. Er sagte mir: „Als ich beim Sprung mein Buch aus der Luft auf dem Bett sah, wusste ich alles“. Es kam, was kommen musste, mit lautem Getöse lag er plötzlich auf der Erde inmitten seines Bettrahmens und Kopf- und Fußteil, was natürlich die Ruhe des OVD erheblich störte. Sofort alarmiert kam dieser angerannt. Mein Kamerad, immer noch in den Trümmern seines Bettes liegend, brach in schallendes Gelächter aus, als er den OVD erblickte. Der OVD, ein göttlicher Anblick in seiner Aufmachung in weißer Unterwäsche, die in den Stiefeln steckte, das Koppel umgeschnallt und auf dem Kopf der Helm. Hauptmann Neumann fand die Geschichte lustig und es blieb bei einer Entschuldigung beim Oberfeldwebel. Ich blieb als Täter lieber im Hintergrund und habe den Geräuschen des Bettsturzes aus der Ferne gelauscht.

Immerhin hatten wir im Juni schon als Kopfbedeckung das Schiffchen und da die ursprüngliche Luftwaffenuniform nur Ärmelstreifen hatte und wir auf den Bahnhöfen ständig nach dem nächsten Zug befragt wurden, bekamen wir auch Kragenspiegel wie das Heer, die zuvor noch mit Symbolen wie gekreuzte Gewehre und weitere, für ihre Waffengattung, versehen waren. Wir konnten wählen, entweder – oder und
entschieden uns dann für Beides. Als Dienstanzug galt, das damalige „Affenjäckchen“, Diensthemd grau mit Krawatte, Arbeitsanzughose oliv, Schnürstiefel mit Gamaschen.

Mein „eigenes Zimmer“ in Bückeburg.

Der größte Teil von uns wurde schließlich als Funker übernommen und von Bückeburg nach Göttingen versetzt. Der Rest wurde von der Fernmelde-Abteilung 111 (Feldfernsprech) übernommen. Nach einer Zeit als Kabelaffe kam ich zurück nach Osnabrück in die Von Stein-Kaserne. Während der Asiatischen Grippewelle wechselte ich in die Sanität und nach dem Besuch der Sanitätsschule ging ich zur Truppenschule der Luftwaffe nach Hamburg. Nach Aufstellung des Bw.-Laz.Hamburg ließ ich mich als gelernter Pharm.Kfm. dort in die Apotheke versetzen.

Schützenfest in Bückeburg 1957


Das Schützenfest fand mit starker Beteiligung der Bundeswehr statt. Der Bürgermeister war gleich, nachdem die Fernmeldeabteilung 711
die Musikschule bezogen hatte, zu Hptm Neumann mit der Bitte gekommen, wir sollten uns in der Stadt nur in Uniform zeigen.
Von der Bevölkerung wurden wir sehr herzlich aufgenommen. Beim Schützenfest wurden wir von der Straße weg zum sonntäglichen Essen aufgenommen. Auch die Mädels freuten sich mit uns auszugehen. Als aber die Verlegung nach Göttingen anstand, trat Hptm Neumann vor die Front und erklärte uns, dass wir unsere Liebschaften zu beenden hätten, da unsere Laufbahnen noch viele Versetzungen mit sich bringen würden. Wir folgten seiner Aufforderung und zettelten jeweils einen Streit an, der zur Trennung führte. Danach saßen wir tagelang noch auf dem Gepäck und dann waren alle plötzlich weg. Nur wenige wurden als Nachkommando zurückgelassen, die gleichzeitig das Vorkommando für die Fernmeldeabteilung 111 (Feldfernsprecher) bildeten.

Übrigens habe ich den Rat von Hauptmann Neumann, Freundschaften aufzugeben, als väterlichen Rat empfunden.

Unsere Freundinnen von damals waren überwiegend noch Lehrlinge. Sex mit ihnen brachte damals immer die Gefahr sie heiraten zu müssen.

Die Unterbringung in Osnabrück

Hier nun das Bild unserer ersten Unterkunft in Osnabrück am
Hauswöhrmannsweg 50. Hier zogen wir – die ersten Flieger ein.

 

Es war der 25. April 1957 (entnommen aus meinem Wehrpass). Die Unterkunft war nicht isoliert und die Nächte waren eisig kalt. Es fehlte uns ja schon seit der Grundausbildung an Ausrüstungsgegenständen wie Schlafsack, Kampfjacke, Olivwäsche. So hatten wir für die Nacht den Schlafanzug und darüber den Trainingsanzug. Auch die Wollsocken waren vonnöten. Im Raum stand ein Heizlüfter mit mehr oder weniger als 1000 Watt. Zu zweit stand uns ein Spind zur Verfügung. Wolldecken gab es genug, nur wurden sie auf dem Körper zu schwer.

Mir fällt auch wieder ein, dass wir zwar Reisekostenanträge ausfüllen mussten, aber wir darauf keinen Anspruch hatten, da wir von Stade eine zu kurze Anreise gehabt hatten. Aber immerhin, wir mussten blanko unterschreiben. Nach Dienstschluss hatte man uns empfohlen in möglichst kleinen Gruppen die „Lange Straße“ rauf und runter zu gehen, damit die Bevölkerung den Eindruck bekommen sollte, dass schon viele Soldaten in Osnabrück angekommen waren. Nach ein paar Tagen wurden wir zum Kompanieabend eingeladen, Getränke frei zahlte die Kompaniekasse. Später wurde mir klar, wo unsere Reisekosten gelandet waren. Für uns war um 22 Uhr dann Zapfenstreich. Für die Reste waren dann die Unteroffiziersdienstgrade, die die Arbeit gemacht hatten, zuständig. Es waren Blaulichtblitze, die mich wach werden ließen. Am anderen Morgen hörte man hinter vorgehaltener Hand, dass in der Nacht einer unserer Feldwebel von der Polizei in Gewahrsam genommen wurde. In der Osnabrücker Zeitung war dann schnell zu lesen: Bundeswehr – Feldwebel – Mörder, Unfallfahrer begeht nach Todesfahrt unter Alkohol Fahrerflucht. Was war passiert?… Das Bier war alle und der Feldwebel glaubte am Bahnhof Nachschub zu bekommen.

Auf dem Rückweg ist ihm ein Betrunkener ins Auto gelaufen. Der Feldwebel hatte zwar einen dumpfen Knall vernommen, als er danach rund um das Auto suchte und keinen Verletzten fand, setzte er sich wieder ins Auto und fuhr zurück in den Hauswöhrmannsweg. Noch in der Nacht wurde der nun tödlich Verletzte gefunden und da am Unfallort ein olivfarbener Rückspiegel lag, wurde der Fahrer in gleicher Nacht gefunden und verhaftet. Uns war die Bevölkerung daraufhin nicht mehr wohl gesonnen. Zum Glück für den Feldwebel bekam er wegen fahrlässiger Tötung nur 9 Monate und konnte so Soldat bleiben.

 

Osnabrück im Mai 1957 nach dem tödlichen Unfall.

Die Anti – Stimmung in Osnabrück legte sich wieder und wir bekamen per Arbeitsdienst Anschauungsunterricht woher der Name „von Stein“ kommt. Zumindest wurden uns solche in die Schiebkarre geladen, um aufzuräumen für einen Umzug in die Artilleriestraße. Nicht um zu demonstrieren, dass wir Schlipssoldaten sind, sondern nur der Beweis, dass es noch keine Olivhemden zum Arbeitsanzug gab, waren wir so gekleidet.

Am Sonntag danach einigten wir uns in der Gruppe das Domkaffee zu besuchen. Dort nach einer Weile fand ich es belustigend, dass sich junge Männer die Innentaschen ihrer Jacken mit Bierflaschen vollfüllten. Eine Stimme hinter mir hörte ich sagen: „Lachen Sie ruhig, Ihre Mützen haben die auch schon.“ Als ich nun ins Treppenhaus stürzte, gab es dort eine wüste Keilerei. Die ersten blutigen Nasen waren schon produziert. Beim Weg durch die Garderobe hatte ich noch meine Mütze am Haken gefunden, aber die Schwinge war herunter gerissen. Im Treppenhaus flüchtete vor mir ein junger Mann, den ich auf dem Parkplatz vor dem Dom stellte. Ich griff ihn mir sogleich an der Krawatte und verlangte Mütze und Abzeichen. Er meinte mich nicht zu verstehen und ich verpasste auch ihm eine Tracht Prügel. Danach gab er mir mehr oder weniger 18 Mark für eine neue Mütze. Wenn wir auch selbst zurück am Hauswöhrmannsweg einige Beulen zu kühlen hatten, so wurden wir doch nun Stadtgespräch. Die unbeliebten Engländer hatten endlich einmal Prügel bekommen. 

Im Allgemeinen war 1957 die Bundeswehr in den meisten Standorten nicht gern gesehen. Wir sprachen immer davon, dass wir überall mit Blumen begrüßt wurden, nur, es hingen leider immer noch die Töpfe daran. Umso überraschter waren wir von der Begeisterung der Bückeburger, die froh waren, dass wegen uns die Engländer aus der alten Garnisionsstadt abgezogen waren. Nur den später von den Heeresfliegern übernommenen Flugplatz hatte man noch in englischer Hand behalten.